Brücken in und um Helmstedt
Autobahn- und Einsenbahnbrücken
In Helmstedt sind es die Straßen und Wege, die das Vorrecht des Alters haben. Eisenbahn und Autobahn kamen später. Sie mussten sich arrangieren. Sie mussten Brücken bauen, um die alten Verbindungen zu überqueren, so die Eisenbahnbrücken in der Magdeburger und in der Schöninger Straße, die beiden Autobahnbrücken am Westrand des Lappwaldes.
Soweit das Prinzip. Aber wir reiten es nicht. Manchmal zählt die Vernunft wie am Magdeburger Berg, wo die neuere Bahnlinie die ältere Straße unterquert.
Betrachten wir die Brücken der Eisenbahn! Sie zeichnen sich aus durch ihre solide festungsgleiche Konstruktion. Auf schweren geschichteten Steinen ruhen die dicken Eisenträger und vermitteln auch optisch die Sicherheit, die sie dem darüber laufenden Eisenbahnverkehr und dem darunter verlaufenden Autoverkehr geben. Diese Brücken sind integraler Bestandteil des Schienenwegs. Sie erhalten ihre Existenzberechtigung als Teil des Schienennetzes. Den Anforderungen des Verkehrs müssen sie genügen. Schön müssen sie nicht sein. Die Autobahnbrücken jedoch sind eigenständige technische Kunstwerke.
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Helmstedts erste Eisenbahnverbindung kommt noch ohne Brücke aus. Die von Süden aus Jerxheim-Schöningen ankommende Bahnlinie wurde am 20.Juli 1858 eröffnet (1). Das wirtschaftliche und soziale Gewicht des Herzogtums lag zu jener Zeit im Bereich Wolfenbüttel- Schöningen- Bad Harzburg. So wurde Helmstedt erst später in das Eisenbahnnetz integriert.
Am 11. September 1872 erscheint die Beilage des Helmstedter Kreisblatts "die Eröffnung der Eisenbahnpersonenzüge über Magdeburg nach Helmstedt und Braunschweig betr.“ Das Helmstedter Kreisblatt teilt am 17. September 1872 mit, dass "mit dem 15. September … die Verbindung der neuen Bahnstrecke Magdeburg – Helmstedt… hergestellt und .. eröffnet wird“.
Auf der nun vorhandenen Strecke zwischen Berlin und Braunschweig verkehrten täglich 5"Personen-, 1 Schnell-, 2 Courierzüge, ein Localzug“. Heute durchlaufen täglich ca. 1.500 Züge den Helmstedter Bahnhof.1
Was uns heute vertraut ist, uns alt, oder sogar altmodisch erscheint, war einmal sensationell. Das 19. Jahrhundert war das des technischen Fortschritts, einen der größten brachte die Erfindung der Dampfmaschine und ihre Nutzung als Lokomotive der Eisenbahn. Die erste deutsche Eisenbahnlinie zwischen Nürnberg und Fürth legte am 7. Dezember 1835 zum ersten Mal die Strecke von 6,4 km zurück. Am Ende des Jahres 1891 verliefen im deutschen Reich ohne Privat und Schmalspurbahnen 42 325 km Gleisanlagen.
Vor Helmstedt auf der Westseite wuchs ein hoher Damm heran für die Verbindung nach Braunschweig, hinter dem Kloster St. Ludgeri ein anderer, der in einem Bogen bis zum Fuß des Lappwalds führt, wo er auf die Magdeburger Straße trifft. Beide Dämme veränderten die Landschaft und die Gewohnheiten der Menschen. Zugänge und Wege wurden geschlossen, andere öffneten sich.
Am östlichen Ortsrand der Stadt entstand der Bahnhof. Im Laufe des zunehmenden Bahnverkehrs gab es drei Bahnhofsgebäude, dazu H.E. Müller2. in ihrer Größe und ihrer Gestaltung jeweils dem steigenden Verkehrsaufkommen und der größeren Bedeutung für die Mobilität der Menschen angepasst. Auch die ästhetische Gestaltung der Gebäude gibt Auskunft davon, wie die Eisenbahn immer mehr an Bedeutung für das moderne Leben gewonnen hat.
Das Kreisblatt berichtete am 27. August 1895 von der Eröffnung der dritten Bahnlinie Helmstedts am 1. September des Jahres. Sie verband Helmstedt mit dem Nordkreis und Öbisfelde. Auch diese Linie erforderte einen massiven Damm, der nach Verlassen des Bahnhofes in weitem Bogen die Straße nach den südlich gelegenen Dörfern und nach Schöningen überquert, ehe er sich nach Norden wendet.
Mir mag eine kurze persönliche Bemerkung erlaubt sein.
In meiner Grundschulzeit war Friedrich Lehrmann mein Freund, wohnhaft in der Ziegelei am Emmerstedter Bahnhof. Ich besuchte ihn manchmal mit dem Zug. Die Fahrkarte kostete 20 Pfennige. Der Bahnhof des Dorfes Emmerstedt liegt an der in der Feldmark des Dorfes entferntesten Stelle. Es wurde erzählt, die Dorfbewohner hätten sich gegen einen dem Dorf näheren Standort gewehrt.
Die Karte des Katasteramtes zeigt die Breite der Durchfahrt unter den Brücken an. Die Höhe machen Verkehrsschilder bekannt. Die Höhen der Durchfahrten sind unterschiedlich.
Ein Tag im Jahr 1936. Wir, die Schüler der 2.Klasse der Volksschule am Batteriewall, haben Wandertag. Die Brottaschen geschultert machen wir uns auf den Weg zur Baustelle der Reichsautobahn im Lappwald. Ich erinnere mich an den Blick auf die beiden Fahrbahnen noch ohne Belag, an schwere Lastwagen und Männer mit Schaufeln. So ungenau die Erinnerungen sind, so weiß ich doch, wie wichtig uns das erschien.
Die Brücken der Reichsautobahn (heute A2)
Wir sahen in eine der spektakulärsten und bedeutendsten Baustellen des Reiches. Die Reichsautobahn veränderte die Verkehrssituation im Reich und war eine Vorbereitung für die Verlegung großer Truppenverbände. Die Reichsstraße 1 in Helmstedt, die Aachen über Berlin mit Königsberg verband und durch viele Dörfer, viele Klein-und Großstädte verlief, hatte eine viel schnellere Konkurrenz bekommen.
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In Helmstedt wurden zwei große Brücken errichtet, die das Landschaftbild prägten.
Die erste war die "Maschtalbrücke“. "Der erste Spatenstich erfolgte am 15.2.1935. Die Baustelle wurde geräumt am 15.9. 1935. Somit war diese Bauwerk in der sehr kurzen Zeit von nur sieben Monaten errichtet.“1 Die Brücke überquert mit acht Halbkreisbögen von 12 Meter Weite das Tal mit insgesamt 133,52 Metern. Der zweite östliche Bogen hat die größte Höhe von 10,78 Metern.
Die Brunnentalbrücke kam im Jahr darauf. "Der erste Spatenstich erfolgte am 20. Februar 1936, die Ausrüstung der zweiten Brückenhälfte am 7. September 1936, so daß dieses große Bauwerk in der sehr kurzen Zeit von nur 7 Monaten errichtet war.“ (1) Sie verläuft über 5 weite Bögen mit der höchsten Höhe des mittleren Bogens von 12,35 Metern über eine Gesamtlänge von 152.74 Metern.
Auch die Errichtung der Eisenbahn hatte die Landschaft deutlich verändert. Dämme waren aufgeschüttet worden und Schneisen in Hügel und Berge geschlagen. Die Sicherheit des Verkehrs bestimmte die Anlagen. Mit den Brücken der Autobahn stellte sich jedoch die Frage nach dem ästhetischen Reiz, nach der Schönheit eines technischen Werks auf. Die Brücken sollten nicht nur ihrem Zweck entsprechen, sie sollten auch schön sein. Die Werbung hatte den Slogan erfunden "Beauty sells“. Sein Gedanke wurde Allgemeingut. Auch die Konstrukteure der Autobahn hatten ihn verinnerlicht. Bei der Planung der Brücken in Helmstedt wurde zuerst aus Kostengründen die Anlage eines Dammes für die Autobahn angedacht. Die Errichtung der beiden Brücken jedoch fand auch aus ästhetischen Gründen schließlich Zustimmung.
"Da jedoch an dieser landschaftlich besonders reizvollen Stelle des Tales ( Brunnental) ein Damm untragbar gewesen wäre,…mußte alles aufgeboten werden, um eine billige, die Dammkosten nicht übersteigende Lösung zu finden. (7) Aber auch Einsichten zur Einbindung der Brücken in das Bild der Stadt sprachen für den Bau von Brücken.
“Naturgemäß hat die Nähe des 1000 jährigen Helmstedt, in dessen Blickrichtung die Brücke liegt, einen bestimmenden Einfluß auf die Brücke ausgeübt. Man konnte nicht zweifeln, daß in dieser Umgebung die Anlehnung an alte Formen das Gegebene sei und entschloss sich daher zu halbkreisförmigen Gewölben auf schlanken Pfeilern, der bekannten Form der alten Talbrücken.“ (8) Auch die Trennung beider Fahrbahnen im Verlauf der Bücken wurde aus ästhetischen Überlegungen entschieden. Denn dadurch kann Licht und der wechselnde Sonnenstand in das darunter liegende Gelände einfallen und verhindert den Eindruck eines dunklen Tunnels.
So spektakulär die Autobahnbrücken anfangs waren, so wurden sie den Helmstedtern schnell vertraut. Unter der Maschtalbrücke verläuft die Lappwaldstraße und der Fußweg zur Badeanstalt, unter der Brunnentalbrücke verläuft die Straße in das Brunnental und nach Beendorf und der Fußweg in das Brunnental.
Die Existenzfrage der Brücken stellte sich am Ende des Krieges. Um den Vormarsch der alliierten Truppen aufzuhalten, sollten die Brücken gesprengt werden. Die Sprengsätze waren angebracht. Der östliche Bogen der Maschtalbrücke wurde am 10. April 1945 gesprengt worden. In letzter Minute konnten die Sprengtrupps von der völligen Zerstörung beider der Brücken abgehalten werden.
Im Frühjahr des Jahres 1944 bin ich als Luftwaffenhelfer mit dem Fahrrad auf der Autobahn von nach Helmstedt geradelt. Ich erinnere mich an kein motorisiertes Fahrzeug, jedoch an einen Dachs, der die Fahrbahn überquerte.
Heute verkehren durchschnittlich 90 000 Fahrzeuge die A2 bei Helmstedt2 und …Züge passieren den Bahnhof in Helmstedt. Beide Verkehrswege sind Teil unseres täglichen Lebens, nicht wegzudenken aus der Gestaltung der öffentlichen und privaten Daseinsvorsorge, fest verankert in der Planung unserer Gegenwart und Zukunft.
Aber das dachten auch einmal die Fuhrleute, die Wagenlenker, die Fußboten und die Courierreiter, die Postillione und die Pferdekutscher, die Wagenbauer und die Radmacher früherer Zeiten.
Eisenbahn und Autobahn waren ihnen allen unvorstellbar, undenkbar und daher unmöglich.
Könnten und sollten wir denken, dass auch diese uns so vertraute Technik einmal obsolet sein könnte?
Beitrag: Joachim Giermann
Quelle:
Helmstedter Altstadt-Brief
Ausgabe: 3 / 2024
Herbert Rohm
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